Zucker: Körper & Geist

Die „Zuckerkrankheit“ Diabetes wird weltweit ein immer größeres Problem für viele Menschen. In Deutschland leidet etwa einer von zehn Menschen an Diabetes, umgangssprachlich auch Zuckerkrankheit oder einfach nur „Zucker“ genannt. Diabetes gibt es in zwei (Haupt-) Formen: Typ-I und Typ-II Diabetes. Während Typ-I genetisch bedingt ist, entwickelt sich Typ-II Diabetes schleichend über viele Jahre hinweg, meist durch Überkonsum von zuckerhaltigen Lebensmitteln und unausreichende Bewegung. Die umgangssprachliche Bezeichnung „Zuckerkrankheit“ ist also nicht nur treffend, was die Symptomatik der Erkrankung angeht, nämlich einen zu hohen Blutzuckerspiegel und Ausscheidung von Zucker über den Urin, sondern der Name benennt auch eine wesentliche Ursache der Erkrankung. Die Medizin benennt als Ursache von Typ-II Diabetes die Resistenz der Körperzellen gegen Insulin. Dabei wird allerdings Mechanismus und Ursache verwechselt. Im folgenden möchte ich die Wirkungskette von Ursache, Mechanismus, und Krankheit darlegen, und erklären wie regelmäßiger Überkonsum von Zucker zu Diabetes führt. Mit dem Wort „Zucker“ ist in diesem Artikel nicht nur Haushaltszucker (Saccharose) gemeint, sondern allgemein auch schnell verfügbare Kohlenhydrate (Stärke), da diese im Darm ebenso in ihre Zuckerbestandteile (Glukose) zerlegt werden.

Zu Beginn schauen wir uns dazu in einem kleinen evolutionären Exkurs die Ernährungsgewohnheiten unserer menschlichen Vorfahren an. Anschließend schauen wir, was mit dem Zucker im Körper passiert, und warum ballaststoffarme, zuckerreiche Kost unseren Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht bringt.

Auswirkung auf den Körper

Im Laufe der Entwicklung des Menschen waren Zucker und Kohlenhydrate hauptsächlich in Form von Obst, Gemüse und Getreide verfügbar. Diese Lebensmittel verfügen alle über einen hohen Ballaststoffgehalt, und im Darm verlangsamen Ballaststoffe die Aufnahme von Zucker ins Blut. Ein hoher Ballaststoffgehalt ist damals wie heute normal für die allermeisten natürlichen, unverarbeiteten Lebensmittel. Dagegen enthalten moderne verarbeitete Lebensmittel sehr wenige Ballaststoffe, was evolutionär eine echte Neuerung darstellt. Beispielsweise ist eine Tafel Schokolade oder ein Stück Kuchen evolutionär betrachtet eine echte Innovation: Massig Kalorien und Zucker, aber kaum Ballaststoffe. Zucker wird im Körper als potenter Brennstoff genutzt: Glukose betreibt unser Gehirn und unsere Muskeln, wie auch andere basale Körperfunktionen in den Zellen. Das heißt, Zucker ist wichtig für den Menschen, deswegen schmeckt er ja auch so gut. Damit der Zucker vom Blut in die Zellen kommt, wo er als Brennstoff gebraucht wird, ist Insulin nötig. Das Insulin signalisiert den Zellen, dass Zucker vorhanden ist, und sie diesen doch bitte aufnehmen sollen (also vom Blut in die Zellen). Insulin wird von der Bauchspeicheldrüse produziert, und zwar in Reaktion auf den Zucker der über die Verdauung aufgenommen wird. Nun ist es so, dass die Bauchspeicheldrüse Zucker über Jahrmillionen hinweg nur im Tandem mit Ballaststoffen angetroffen hat. Da Ballaststoffe die Zuckeraufnahme verlangsamen, ist der Körper also an eine bestimmte (langsame) Zuckeraufnahmerate angepasst. Unser Insulin-produzierendes System ist also auf eine langsame Zuckeraufnahme ausgelegt, genauso wie dies im Falle einer ausgewogenen Mahlzeit der Fall ist. Diese wird in der Regel innerhalb von 2-3 Stunden verdaut, und die Bauchspeicheldrüse produziert genau für diesen Zeitraum Insulin. Essen wir jetzt z.B. einen Schokoriegel, mit viel Zucker und wenig Ballaststoffen, so schnellt das Insulin in die Höhe um den vielen Zucker in die Zellen zu bringen. Problematisch ist nun, dass der Insulinspiegel für weitere 2-3 Stunden erhöht bleibt (da die Bauchspeicheldrüse das evolutionär so gelernt hat), der komplette Zucker aber bereits nach einer halben Stunde aufgenommen wurde (weil ja keine Ballaststoffe dabei sind). Da nun noch Insulin im Blut ist, welches den Blutzucker in die Zellen drückt, aber kein weiterer Zucker mehr nachkommt, da ohne Ballaststoffe alles zu schnell verdaut wurde, kommt es zum Unterzucker und wir kriegen Heißhunger. Also wird wieder zu einem Snack gegriffen, und das Spiel geht von vorne los. Dieser Teufelskreis aus zuckerreichem Snack und Hungerattacken kann Dauerstress und Unwohlsein zur Folge haben. Langfristig sinkt dadurch die Toleranz der Körperzellen gegen Insulin. Im Prinzip bedeutet das, dass die eigenen Zellen keinen weiteren Zucker mehr haben wollen: Die Muskelzellen sind voll, die Fettspeicher gefüllt. Wenn jetzt trotzdem noch Zucker nachkommt, reagieren die einzelnen Zellen indem sie ihre Sensitivität für Insulin verringern. Damit sagen sie im Grunde: „Ich habe genug, bring den Zucker anderswohin“. Da aber noch viel zu viel Zucker im Blut rumschwimmt, reagiert die Bauchspeicheldrüse, indem sie noch mehr Insulin produziert, und die Zellen damit zwingt den Zucker trotzdem aufzunehmen. Dieser langfristige Teufelskreis aus steigender Insulinresistenz der Zellen, und steigender Produktion der Bauchspeicheldrüse, führt dann allmählich in den Diabetes. Die Ursache für Diabetes ist also eine langfristig anhaltende Zuckerüberforderung des Körpers. Die daraus resultierende Insulinresistenz ist der biophysiologische Krankheitsmechanismus.

Auswirkung auf den Geist

Nach dem Genuss eines Schokoriegels hat der Körper mehrere Möglichkeiten den Zucker mittels Insulin aus dem Blut zu entfernen: 1) Der Zucker wird in Muskelzellen in Bewegungsenergie umgesetzt. Dies ist vermutlich die harmloseste und natürlichste Form des Körpers mit zu viel Zucker umzugehen. Die meisten gesunden Kinder reagieren genau so auf Zucker: Sie werden hyperaktiv und aufgedreht. Der schnellste Marathonläufer der Welt (Eliud Kipchoge), trinkt seinen morgendlichen Tee angeblich mit bis zu 5 Esslöffeln Zucker. 2) Wenn der Zucker nicht in Bewegungsenergie umgesetzt wird, dann besteht die zweite Möglichkeit diesen in Fettzellen als Fett zu speichern. Dies führt über kurz oder lang allerdings zu Fettleibigkeit. Eine Empfehlung zur Diabetesvorbeugung und Behandlung lautet daher, sich ausreichend zu bewegen. Dies verbraucht den Zucker gemäß Punkt 1), statt ihn als Fett zu speichern. 3) Eine dritte Möglichkeit, Zucker aus dem Blut zu entfernen, ist die Aufnahme und der Verbrauch im Gehirn. Das Gehirn ist für etwa 20% des gesamten menschlichen Energiebedarfs verantwortlich, und damit einer der größten Verbraucher im menschlichen Körper. Genauso wie die Muskelzellen Zucker in Bewegung umsetzen, kann das Gehirn Zucker in Bewegung des Geistes umsetzen, also Gedanken und andere Geistesaktivität. Dies ist hilfreich wenn man ein Problem zu lösen hat, oder anderweitig einer geistig fordernden Tätigkeit nachgeht. Hat man allerdings gerade kein konkretes Problem zu lösen, so schlägt das Denken in Grübeln um, und man macht sich unglücklich. Dieser Punkt kann gar nicht genug betont werden: Zucker erschafft Probleme im Geiste und macht unglücklich! Um diesen Punkt verständlich zu machen, schauen wir uns zuerst die Funktionsweise der Augen als Analogie an: Ein bestimmter Teil des Gehirns ist dazu da, die Signale von den Augen zu verarbeiten und im Geiste Bilder zu erzeugen. Solcherlei Bilder können allerdings auch ohne Signale von den Augen erzeugt werden, z.B. im Schlaf während eines Traums. Genauso verhält es sich auch mit dem rationalen Teil des Geistes, welcher dazu da ist, Probleme zu lösen, z.B. eine Matheaufgabe, ein Beziehungsproblem, oder irgendein anderes Problem. Ist dieser rationale Teil des Gehirns nun aktiv, ohne das es tatsächlich ein akutes Problem zu lösen gibt, so erzeugt das Gehirn ein Problem, genauso wie der Sehapparat ohne echte Bilder Traumbilder erzeugt. Da Zucker als Brennstoff des Gehirns dient und somit Geistesaktivität befeuert, kann übermäßiger Zuckerkonsum zu unablässigem Nachdenken führen. Dies erklärt vielleicht, warum Menschen mit Diabetes 2-3 mal häufiger an Depressionen erkranken.

Zusammenfassung

Evolutionär ist der Mensch an ballaststoffreiche Kost mit geringer Zuckerdichte angepasst. Moderne Lebensmittel sind oft genau entgegengesetzt aufgebaut: Ballaststoffarm mit hoher Zuckerdichte. Dies führt kurzfristig zu Heißhunger, und kann langfristig zu Diabetes führen. Die Auswirkung von Zucker auf Körper und Geist sind enorm, und ein Beitrag zu Fettleibigkeit, Diabetes, aber auch zu Unruhe und Depression können unerwünschte Langzeitfolgen sein.

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